Donnerstag, 11. Juni 2009

~ Selbst ist der Magier ~

 

Autor: Aristophanes

Über das Wesen der magischen Zunft

Das Wesen des Magiers zeichnet sich im Wesentlichen durch ein hohes Maß an Tugendhaftigkeit aus. So ist zu verstehen, warum man ihn einerseits nur schwer erfassen, andererseits unmöglich zu ergründen vermag. Denn Geisterhaftigkeit umweht ihn und sein Weitblick gipfelt im Fundament allem menschlichen Strebens. Der ernsthafte Magier kann sich sein magisches Gemüt, aus dem heraus er wirkt, für gewöhnlich nicht in wenigen Lektionen aneignen. Er ist neben dem Geisteswissenschaftler auch immer dessen direkter Handlanger und ausführendes Organ seiner Imaginationen. Die Komplexität seines Lebens und Wirkens ist seine Lektion.

Der Magier gilt weitläufig als Nonkonformist, als Einsiedler, eigentümlich und sonderbar, jener ewige Widerstreiter mit den allgemeingültigen Wahrheiten und den Naturgewalten, die da unentwegt in die physische Welt raunen und rufen, dem Menschen zum Nutzen und zum Trotze, und welche doch einlenken in der Gegenwart des dargebrachten Verhandlungsgeschicks, der Ermächtigung und der dem Magier inne wohnenden Wendigkeit.

Er ist Aufzeiger der sich zum einen im Äußeren und zum anderen im Inneren befindlichen Widersprüche des menschlichen Seins. Als bemerkenswert scharfer Beobachter obliegt ihm in einem ungewöhnlichen Maße das Geschick, beratend, herbeirufend oder abwendend in sein eigenes Schicksal oder in das Schicksal derjenigen, die ihn als einen eben solchen Mittler herbeiziehen, einzugreifen.

Wohl nichts neben ihm selbst vermag ihn dergestalt zu begreifen, ist er doch stets ein sich in der ewigen Verwandlung befindlicher Geist, der bisweilen rastlos wandert, weil er nicht, wie viele Weltanschauungen dieser Zeit allein nach innerer, sondern im Besonderen auch stets nach der äußeren Vollkommenheit strebt.

Gemäß seiner Natur zieht es der Magier vor, mit den sowohl ihn selbst als auch mit den die heilige Ordnung des sichtbaren und unsichtbaren Universums umgebenden Mächten in den Dialog zu treten, um seine Handlungen zentrieren zu können. Notwendigerweise schafft er sich hierfür einen Ort, an welchen ihm die Ablenkungen des täglichen Lebens nicht folgen können

Der Magier ist ein überlegter Pragmatiker. Die Vision allein kann seinem Gemüt niemals genügen. Er bedient sich seines Willens, stellt die Welten um sich herum bisweilen auch überaus kompromisslos auf den Kopf, um seine Visionen zum Leben zu erwecken, auf daß sich jene in der körperlichen Welt niederlassen, zu seinem oder auch zum anderer Seelen Nutzen.

Selbst ist der Magier stets in all seinem Denken, Handeln und Sein. Kein Abkömmling der magischen Künste gleicht je einem anderen, noch ist der Plan, dem ein jeder dieser Zunft folgt, mit dem eines anderen magischen Individuums vergleichbar. Er ist ein ewiger Individualist, der aufgrund seiner ihm häufig selbst überlegenen Willensstärke nicht umhin kann, diese in ihre Schranken zu weisen, weiß er doch nur allzu gut, wie nützlich sie ihm in seinem täglichen Gebrauch und der Lenkung der Schicksale ist.

Während im Prüfungsfall für den Magier auf alle Konventionen verzichtet werden muss – im Dienste und Sinne der Vielen im Allgemeinen und des Einzelnen im Besonderen -, demontiert im Äußeren sich leise der Geist der natürlichen Vollkommenheit, weg vom Paradiese zu einer Feuersbrunst auf Erden.

Angesichts der sich desaströs entwickelnden Machtpolitik der heutigen Globalisten stellt sich hier an die Menschheit eine Aufgabe, zu der es Mut, Wahrhaftigkeit und Authentizität bedarf, Eigenheiten, die der Mensch sich nicht aneignen kann, vielmehr müssen sie sich ihm als ein Teil seiner selbst offenbaren.

Die momentane weltwirtschaftliche und –politische Situation – nicht die erste in dieser Form unserer Geschichte - schafft wiederum dieNotwendigkeit der Erweckung und Herausbildung des magischen Gemüts, das verborgen in der Seelentiefe des Menschen schlummert.

Der Magier ist es, der auf jede menschliche und auch unmenschliche Situation anwendbares Wissen unmittelbar aus seiner Erfahrung und aus den ihn umgebenden Kräften gewinnt. Er ist es, der die okkulten Kräfte studiert, diese bewahrt, versiegelt und vor allem dem Volk als verloren gegangenes Eigentum wieder überhändigt.

Die Erkenntnis dient dem Menschen nicht, wenn sie allein im Geist verbleibt

Die Selbsterkenntnis stellt einen heute wesentlichen Aspekt an gelebter Spiritualität dar. Doch der Magier fragt sich indessen, was schlußendlich in der Konsequenz aus ihr gewonnen werden kann. Es scheint allzu häufig, als wäre die Selbsterkenntnis für viele spirituell tätigen Fakultäten das einzig zu erstrebende Erleuchtungsziel ihrer Disziplin. Ein jahrelanger Kampf um die Offenbarung des Ich-bin.

Das Ich-Bin ist wiederum bereits eine unbedingte Maßgabe für die Entfaltung der Kraft einer okkulten Seele, allerdings kann daher der zu beschreitende Weg, wenn wir von steter Entwicklung ausgehen, dort nicht enden.

Die Selbsterkenntnis ist vielmehr nur der kleinste Beginn aller mystischen und spirituellen Entwicklung. Und wer, wenn er sich doch schon selbst erkannt hat, mag sich und anderen nachsagen, seine Entwicklung bereits erahnt, aber niemals wahrhaft angegangen zu sein?

In vielen heutigen, spirituellen Strömungen ist die Selbsterkenntnis durchaus zu Recht Mittel und Weg zu tiefem, inneren Heil, zur menschlichen Ganzwerdung, auf welche jedoch, bei näherem Hinsehen, oft nur noch wenig bis gar nichts mehr folgt.

Daher unterscheidet der Magier stets zwischen verwertbaren, d. h. ihm oder anderen nützlichen, und nicht verwertbaren Erkenntnissen.

Die Heilung und Ganzwerdung als Mittelpunkt des spirituellen Kosmos innerhalb der New Age Bewegung kann dem Magier in seinem geistigen Anspruch nicht genügen, denn er wird von seinen Meistern, gleichwohl ob in stofflicher oder leibhaftiger Form jederzeit auf seine innere sowie äußere Beschaffenheit geprüft und ggf. auf die Schaffung der Grund-Erfordernisse für die magische Disziplin zurückgeworfen.

Denn zu einem Meister wird er reifen, dessen Visionen ewig Bleibendes erschaffen.


Wien, im Mai 2009


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