Sonntag, 23. Mai 2010

~ Sinnquelle Empirischer Okkultismus ~

 

Autor: Aristophanes

Der empirische Okkultismus ist eine Denk- und Lebensart, die Philosophie, Ethik, Geisteswissenschaft, Versenkung, Kontemplation, Divination, Demut und Disziplin zum Inhalt hat.

Durch den magischen Pfad, die Initiation, d. h. die Metamorphose des Adepten in ein anderes oder neues Paradigma, bei welchem der zunächst Unwissende zu einem Wissenden wird, wandelt sich der Anwender und mit ihm sein Welt-Modell.

Beim Verständnis der praktischen Magie als Lebensphilosophie geht es - Ausnahmen bestätigen indessen selbst hier die Regel – weniger um imponierende Zirkusnummern oder Mental-Tricksereien, damit andere beeindruckt erbeben, als um eine sehr diffizile, da individuelle, vom Anwender ausgehende und folglich primär den Anwender betreffende Form einer persönlichen Welten-Ideologie

Die Magie ist der Weg, der die Seele mit dem Göttlichen vereint, was manche Anwender zu Recht veranlasst, sie als eine persönliche Form der Religion zu betrachten. Wogegen nichts einzuwenden bleibt, auch wenn sich einigen Lesern beim Wort „Religion“ aus bekannten Gründen die Nackenhaare sträuben. Nicht wenige Neuzeit-Magier definieren „Religion“ inzwischen im magischen, mystischen oder neutraler gefasst: spirituellen Zusammenhang schlicht als die Annahme einer (oder mehrerer) anderer Wirklichkeiten oder Welten-Ideologie, die für den Anwender insbesondere eine große Sinn- und Kraftquelle darstellt.

Zur Magie kommen häufig die Charaktere, die nicht von ungefähr die gewöhnlichen Antworten auf die Fragen des Lebens als unzureichend empfinden, denen das Wissen der breiten Masse an einem gewichtigen Punkt nicht genügt oder sich zu viele Antworten auf Fragen des Lebens als widersprüchlich oder gar falsch erwiesen haben. Bisweilen führen genormte Erklärungen zu mehr offenen als beantworteten Fragen und nur das nach bestimmten Regeln Genormte erscheint durch die ebenfalls genormten Erklärungen plausibel. Alles andere bleibt irrational, nicht erklärbar und damit: nicht real. Was bei genauerer Betrachtung unerhört unlogisch ist, denn beispielsweise kennen wir aus anderen Kulturkreisen vermeintlich irrationales Verhalten oder aus der Philologie Wortschöpfungen von uns verborgenen Welten, deren Bedeutung in unsere Sprache nicht übersetzbar ist. Uns bleibt deren Sinn verborgen, solange wir nicht selbst alle Zelte abbrechen, zu diesem Volk zögen und uns durch ihr Vorbild irgendwann jene Emanation des einst unbekannten Wortes offenbar würde.

Andere wiederum empfinden die gängigen gesellschaftlichen Normen als überholt, degeneriert oder unterentwickelt und suchen z. B. nach Hinweisen in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, die die Zusammenhänge von Zeitgeist, menschlicher Kultur, Glaubensparadigmen und die persönliche Geisteshaltung verdeutlichen. Anhand der jeweils führenden Glaubenssysteme und die Art und Weise, wie Menschen zu diesen oder anderen Zeiten gelebt haben, lassen sich Rückschlüsse auf ihre persönliche Moral und Ethik, Weltanschauung und Spiritualität ziehen, wenngleich wir auch hier niemals einen Absolutheitsanspruch als wahr annehmen sollten, sondern den Verlauf nur auf die eine oder andere Weise versuchen, zu imitieren. Die Imitation ist wichtig, damit wir das Wesen des Modells nachempfinden können, das abgebildet wurde oder wird.

So hat auch die Normen-Welt ihre Not: Bewegt man sich nur einen Zentimeter von der Norm fort, verändert dies radikal die vorher abgegebene Erklärung und das Ergebnis ist nicht mehr das selbe. Demnach, stellen wir fest, ist die Norm statisch und genormte Werte sind fest und unverrückbar, wenn sie ihre Gültigkeit behalten wollen. Der Neuzeitmensch lebt in einer Welt voll statischer Werte und Ideologien. Und er orientiert sich daran, nicht reflektierend oder über eine schon lange fällige Modifikation nachdenkend.

Dort, wo Wege beschritten werden, die in kein genormtes Schemen passen, beginnt die Welt des Mystikers.
Für diesen stellt sich ein Schlüsselmoment häufig dar, dass die allgemein gültigen Normen (gesellschaftlich, politisch, religiös etc.) dem Einzelnen ab einem gewissen Punkt nicht mehr nutzen und bedeutsamerweise, wenn er mit anderen spricht oder sie beobachtet, feststellt, dass sie auch den Vielen nicht mehr nutzen. Er beschäftigt sich mit der Frage, neue Parameter zu erschaffen, auf die er sich ein- und verlassen kann und die von ihm in Funktionalität, Effektivität und Nutzen erprobt sind.

Der magische Weg liegt jenseits aller natürlich erscheinenden Realität, wodurch sie dem flüchtig Schauenden als reine Fiktion oder Irrationalität erscheint. Was gewissermaßen auch den Vorteil hat, schützt sich die magische Ideologie nämlich dadurch selbst, dass sich der Adept die Funktionalität erst durch das Abschreiten eines langen Pfades und die darin verborgenen Welten Schritt für Schritt erarbeiten muss, damit sie sich ihm offenbart.

Erst durch das unbeirrte Fortschreiten erschließt sich eine tiefere Logik und Sinnhaftigkeit, die den Adepten äußerst befriedigt, war seine Mühe nicht umsonst und bestätigt ihm die eigene Erfahrung nicht selten das, was andere vor ihm und die großen okkulten Meister der Geschichte auf ihrem ganz eigenen Weg erfahren haben. Der okkulte Mentor steht bekanntlich immer vor dem Dilemma, dass er transzendentale und daher abstrakte Erfahrungen mittelbar und für den Einzelnen erfahrbar gestalten soll. Daher wird es nötig, dass er sich seines eigenen Systems bedienen muss.

Der magische Weg gleicht also einem unsichtbaren Pfad, der sich nur zu besonderen Zeiten als Hauch in der realen Welt abbildet. Es macht wenig Sinn, sich über Magie zu unterhalten, wenn man beim Auftauchen eines magischen Nebenschauplatzes lieber schnell die Flucht ergreift, weil man fürchtet, die andere Realität jenseits der bekannten Norm, zu betreten. Diese Angst bezieht sich allerdings weniger auf die Erfahrungen oder die Eindrücke, die man von dort in die Rationalität des Alltäglichen mitnehmen könnte, sondern basiert auf dem Aberglauben, dass man verrückt wird oder als verrückt bezeichnet wird, sobald man andere Realitäten als die genormte betritt. Was mich zu dem Schluss führt: Wahnsinn ist theoretisch überall denkbar. Der Materialist ist mit Sicherheit nicht mehr und weniger wahnsinnig als der Idealist. Und realistisch betrachtet kann man nur mutmaßen, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand des Nachts beim Träumen oder Umherwandeln in einer Welt, die anders ist als die Alltagswelt, wahnsinnig geworden ist.

Die Angst des Beobachters, bei geistig-okkultem Realitätsabgleich in den Irrsinn zu verfallen, ist mindestens ebenso psychologisch auf falschen Annahmen basierend wie irrational.. Es liegt hier wie auch sonst alleinig an der Persönlichkeitsstruktur des Anwenders.

Selbstredend können und werden auch die spirituellen Bereiche gelegentlich von psychisch labilen Menschen als Ventil hergenommen. Genauso häufig, um nicht zu sagen um ein vielfaches mehr (da in der Überzahl) gibt es allerdings kranke „Realisten“, die durch ihr unzumutbares Dogma und zum Teil auch heftigst ausgelebten Fanatismus in die Irrationalität abgleiten. Daher spielt es außer für den Anwender auch keine Rolle, denn der empirische Okkultismus kann sich nur durch den Anwender und seiner diesbezüglichen Begeisterung sowie der stetig voranschreitenden Verwandlung und Veredlung des magischen und menschlichen Charakters offenbaren.

Der Okkultismus enthält eine Vielzahl an Modellen (Paradigmen), zwischen denen sich der Magier hin und her bewegen kann (insbes.die Chaosmagie legt sich hier nicht fest und modifiziert und verwirft magische Modelle je nach Funktionalität). Die meisten Okkultisten legen sich nach einiger Zeit jedoch auf eins oder ein paar wenige favorisierte Modelle fest, die sich innerhalb ihrer magischen Tätigkeiten bewährt haben oder für die sie interessieren. Da sich diese Ausrichtung nach der Beschaffenheit und den persönlichen Neigungen des Magiers richtet, kann an dieser Stelle unmöglich eine Empfehlung für ein alltaugliches Magie-Paradigma gegeben werden. Einige Modelle seien hier aber dennoch für weitere Nachforschungen in der Kürze erwähnt: Geister- oder Schamanenmodell, kybernetisches/Informationsmodell, Energiemodell, Metamodell sowie diverse Mischformen.

Wien im Mai 2010

Copyright © Aristophanes / Anthera-Verlag