Dienstag, 27. Oktober 2009

~ Sie kehren immer alle wieder ~

Autor: Wanja Benuaté


Sie kehren immer alle wieder.
Sie reiten auf Winden und mit den Gezeiten.
Sie folgen dem Strahl des Mondes und treten bei Sonnenaufgang in die Welt der Lebenden. Nicht zu deren Schaden, sondern zu ihrem Nutzen.
Ewig.
Denn hinter dem Spiegel liegt eine Welt, die sich dem Menschen nur dann offenbart,
wenn seine Sinne zur Ruhe kommen und sein Geist die Heimat bereist.
Denn dort erkennt er sie. Weil er sich erkennt.
Dort tankt er Nacht um Nacht Kraft für seinen Alltag.
Dort, wo er täglich gefordert wird,
mit all seinen Pflichten, Nöten, seinen Begehrlichkeiten
und seinem sowie anderer Menschen Willen,
benötigt auch sein Geist einen eigenen Raum.
Um zu lauschen, zu empfangen, zu erhellen,
den tiefsten und den dunkelsten Ort der menschlichen Seele.
Aber auch den hellsten, höchsten und reinsten.

Sie kehren immer alle wieder.
Nachdem sie voraus gegangen sind.
Sie singen uns in den Schlaf,
sie bereiten uns eine Heimstatt,
sie empfangen uns mit Pauken, Posaunen und Trompeten am Tag unserer Ankunft,
auf dem Bahnsteig stehend,
im Sonntagsgewand, feierlich, scherzend,
lachend, verwundert,
Sonnenstrahlen auf dem Gesicht von Sonnen, die das Irdische nie gesehen,
das Zeitliche nicht gekannt und das Ewige als wahrhaft wissen.
Dort stehen sie,
zu Hunderten,
neugierig ihre Hälse reckend,
ihre Lieben suchend, die sie so lange nicht berührt oder gesehen haben.

Und während die Heimkehrer ihre Verwandten und Freunde begrüßen,
Geschichten aus der irdischen Welt mit sich tragend,
stellen sie ergriffen fest, dass seit jenem Tag auf Erden,
der ihnen dort noch gestern so schmerzlich lang vergangen schien,
und an dem sie Irdisches untrennbar miteinander verband,
nicht ein einziger Wimpernschlag und keine Sekunde an Zeit vergangen war…


Copyright © Anthera-Verlag / Wanja Benuaté


 

 


Donnerstag, 22. Oktober 2009

~ Seidhr – Urform der europäischen Magie ~

 

Autor: Anthera

Die Seidhr-(nordisch: Seiðr)-Magie ist eine uralte magische Technik der indoeuropäischen Völker. Sie wurde nach dem spirituellen Kosmos der damaligen Kulturen den Menschen vom Göttergeschlecht der Vanen beigebracht. In der Überlieferung waren es häufig (aber nicht ausschließlich) weibliche Mitglieder der nordischen Völkergruppen, die sich mit Seidhr-Magie beschäftigten. Sie ist nur noch fragmentarisch überliefert und erfordert daher ein hohes Maß an Eigeninitiative, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie Seidhr anhand der noch erhaltenden Bruchstücke wahrscheinlich angewendet wurde.
Die lenkende Macht des Seidhr ist die Vorstellung der Kraft aus sich selbst heraus, d. h. diese uralte Form der Zauberei kommt im Kern ohne äußerlich anzuwendende Hilfsmittel aus. Sie bedient sich der eigenen Kraft unter Zuhilfenahme der 4 Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde.
Um Prozesse zu beleben, zu beschleunigen, um zunächst unbeseelte (tote) Dinge mit Leben zu füllen, neue Lebensformen zu erschaffen oder sich mit den unsichtbaren Welten zu verbinden wurden Gegenstände, Bilder, Imaginationen, heilige Orte, Menschen, Tiere oder Haushaltsgegenstände besprochen oder je nach Intensität und Zweck auch besungen. Die Wirkung lag dabei in der „richtigen“ Intonation. Der Gegenstand wurde durch Gesang beim „Namen“ genannt, Namen nicht als Folge von Buchstaben gemeint, sondern als Verkettung verschiedener „Essenzen“ (einzelner Buchstaben) zu einem harmonischen Ganzen.
Durch die Stimme des Seidhr-Magiers wird der zu besingende Gegenstand zu einer u. U. neuen, ätherischen Gestalt gebracht, d. h. man kann die Schwingung je nach gewünschtem Resultat erhöhen oder reduzieren, um bestimmte Wesensveränderungen oder das Herausstreichen einer Absicht zu bewirken.
Ein verlorenes Gleichgewicht kann wieder hergestellt werden, z. B. wenn ein Mensch aufgrund einer Krankheit niedrigfrequent schwingt, und zwar durch Ausgleich und Erhöhung der Frequenz im Sinne der Harmonie und des Hinwirkens auf ein in uns selbst ruhenden Heilungsvermögens. Von außen kann den Menschen nichts heilen, wenn er innerlich nicht die Weichen dafür stellt. Deshalb liegt nah, dass Heilung allein im Außen niemals möglich ist.
Die Tradition von Zaubergesängen führt uns sicherlich bis zu den prädynastischen Wurzeln menschlicher Existenz. Lange ist es kein Geheimnis mehr, dass fast überall auf der Welt Völker existierten und existieren, die zu bestimmten Zeiten oder zu bestimmten Zwecken Naturgewalten, Menschen, Tiere und Götter besangen, um sie für sich einzunehmen.
Der Seidhr-Mensch hebt die irdischen Grenzen mit dieser Technik auf, kann über höhere Selbste mit anderen Welten kommunizieren und erhält Antworten auf die Themen des alltäglichen Lebens. Seidhr ist Lebenshilfe pur und ganz direkt. Klar und schnörkellos.
Das Prinzip des Gleichklangs finden wir z. B. auch bei den Stimmgabeln wieder. Angeschlagen erzeugen sie einen bestimmten Ton und ihre Schwingung wird auf die unmittelbare Umgebung übertragen, setzt sich sogar in dieser fort. Der angeklungene Gegenstand verhält sich dann genau wie sein Klang, der vorgegeben wurde. Er klingt in A oder C, eben wie die Gabel.
Das verstanden die Indoeuropäer u. a. unter Seidhr. Das Wort ist sehr alt, sodass keine eindeutige Überlieferung der ursprünglichen Wortbedeutung überlebt hat. Als gesichert gilt der Zusammenhang mit den Vanen und der Zauberkraft, mit denen die Vanen die Asen so sehr reizten, dass es sogar zum Krieg zwischen den beiden Göttergeschlechtern kam.
Mit der Seidhr-Technik sind wir jedoch nicht nur. in der Lage, Klangkörper zu erschaffen, die sich miteinander in Harmonie befinden.
Es überrascht nicht, dass aufgrund der alten und langen Tradition des Seidhr in der Abendländischen Kultur viele Zauberformeln in Gesänge eingewebt wurden und so zu überlieferten und auch verbotenen Zaubergesängen wurden. In der jüdischen Mystik ist uns das Prinzip der Kabbala bekannt, die von der Kraft einzelner Buchstaben ausgeht, die intoniert bestimmte Kräfte beinhalten, die man für sich nutzen kann. Ein Name hat daher auch immer eine ganz bestimmte Qualität, wie weiter oben schon einmal beschrieben, ist es weniger der Namen selbst, sondern die einzelnen Buchstaben, die intoniert eine bestimmte Kraftkonzentration ausmachen. Jeder Buchstabe, jeder gesungene oder intonierte Ton bewirkt dabei einen ganz speziellen Aspekt in der materiellen Realität.
Gebete, Anrufungen, Beschwörungen, geflüsterte, gesungene oder gesprochene Formeln (bereits existierende oder für einen eigenen Zweck erschaffene) fallen unter diese Tradition. Aber auch Trance-Reisen, Divination und der Kontakt zu den Ahnen.
Das Wort oder der Buchstabe selbst hat hier die Macht, der Zaubergesang erweckt diese durch das Werkzeug Stimme zum Leben, da es von der Existenz bestimmter Kräfte ausgeht, die im „gesprochenen Wort“ (bzw. Buchstaben) inne wohnen.
Als Trancetechnik verwendet kann man über die astralen Ebenen mit der Seidhr-Technik auf die Realität einwirken. Dazu wird es notwendig, dass ein (innerer) Raum geschaffen wird, das wir uns wie ein Zimmer, das wir selbst gestalten, auf der astralen Ebene vorstellen können. Dies wird der Ausgangspunkt aller Seidhr-Aktivitäten.
Ziel dieser Raumschaffung ist zum anderen auch die Reduzierung großer, aufwendiger und manchmal nicht praktikabler Ritualabläufe auf das Wesentliche. Rituale sind gut und richtig, auch wichtig, um komplexe okkult-magische Zusammenhänge zu verstehen, sie müssen aber nicht immer zwingend sein. Die Seidhr-Leute kommen in der Regel auch ohne große Ritualistik aus, manchmal befindet man sich auch an einem Ort (z. B. im Urlaub), wo man nicht alles (oder auch mal nichts) zur Hand hat.
Bei dieser alten Technik, die ein in sich geschlossenes magisch-okkultes Weltbild ergibt, geht es primär um den Gleichklang, um die Harmonisierung, das Aussenden und Empfangen in einem, das der selben „Form wegen“ auf eine gleiche oder ähnliche Frequenz bringen ( „wie…“) oder auf die Schwingung eines Zustands, den ich (noch) erreichen will. Seidhr ist die klassische Form einer magisch-okkulten Simulation.
Das Prinzip ist metaphysisch-okkult betrachtet auch so zu beschreiben:
Wenn Du willst, dass der Frosch zu einem Wolf wird, dann behandle ihn auch ohne Zweifel als einen solchen. Nenne ihn Wolf, suggeriere ihm in allem, was Du tust und denkst, er sei ein Wolf. Und er wird nicht mehr quaken, sondern heulen…

Copyright © Anthera-Verlag / Anthera