Dienstag, 29. Dezember 2009

~ Rauhnächte mit den Ahnen ~

~ Die Ahnen mischen mit ~


Autor: Anthera

In der Zeit zwischen den Jahren sind die Tore zwischen den Welten der Lebenden und der Toten weit geöffnet. Viele Menschen bringen Kerzen auf die Friedhöfe und gedenken ihrer Verstorbenen. In vielen Regionen erzählt man sich in dieser Zeit traditionell im Kreise der Familie Geschichten und mir fiel bei dieser Gelegenheit regelmäßig auf, wie präsent die Verstorbenen gerade in der Zeit der Rauhnächte (25. Dezember – 06. Januar) sind. Sie bestimmen sehr oft die Gesprächsthemen in den Familien, man erinnert sich in dieser Zeit sehr viel einfacher an sie als zu anderen Zeiten im Jahr, denn zum Ende des Jahres ist auch die Zeit für den Menschen günstig, sich nach innen zu wenden, die Arbeit steht gewöhnlich still und kontemplative Tätigkeiten (Erinnerung oder Rückschau) fallen uns leicht.

Ohne größere Anstrengung fliegen uns in dieser Zeit Handlungen, Ideen und Gedanken zu, für die wir im arbeitsreichen Jahr sonst wenig Zeit finden. Dazu kommt die kollektive Kraft, ein großes gemeinsames Gedenken an die Persönlichkeiten, die im vergangenen Jahr verstorben sind, Namen werden verlesen oder auf Hausaltären brennen kleine Lichter neben den Erinnerungsfotos.

Begebenheiten und gemeinsame Erinnerungen kommen aus dem Unterbewusstsein herauf, werden weiter erzählt und Anekdoten wieder belebt, wann der/die Verstorbene einmal etwas gesagt oder zu diesem oder jenem Ereignis getan hat. Es wird viel gelacht und kopfgeschüttelt, und interessanterweise kehrt man besonders in dieser Zeit immer wieder und häufig auf die Geschichten über die Verstorbenen zurück, wiederholt sie sogar mehrfach im Kreise der Familie und ruft sich nicht selten selbst zur Ordnung, dass man schon wieder davon erzählt. Andere Familienmitglieder fügen den Erinnerungen weitere Details hinzu, die sie mit den Verstorbenen erlebt haben und so pflanzt sich der immer zur gleichen Zeit wiederkehrende Nachhall innerhalb der Familie wie ein Samen weiter und bleibt somit unsterblich.

Für mich war es sehr interessant zu beobachten, dass es offenbar sehr vielen Leuten so geht: „Ja, komisch, wir sprechen auch immer vom Vater, wenn wir an Weihnachten zusammen kommen und erzählen uns die lustige Geschichte, wie er z. B. die Ziege vor den Schlitten spannte oder beinah den Nachbarn erschoss als dieser einmal des Nachts auf dem Grundstück herumschlich“ oder „Hat er das wirklich so gesagt? Daran kann ich mich gar nicht erinnern, aber typisch Opa“. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann achten Sie einmal auf die Eigendynamik die diese Erzählungen nehmen. Keiner der Versammelten hat auch nur eine leise Ahnung dessen, was dort gerade passiert. Wie in einem Kartenspiel legt jeder reihum Erinnerung um Erinnerung auf den Tisch, jemand am Tisch nimmt die abgelegte Erinnerung eines anderen auf und legt sie in seinen eigenen Erinnerungsspeicher ab. Spielmacher und Kartengeber sind hierbei die Ahnen. Sie haben regen Anteil am Geschehen und reißen gerade in dieser Zeit ausgesprochen gern die Unterhaltungen an sich.

Typischerweise gibt es irgendwann einen abrupten Abbruch dieses entrückten Zustandes, entweder weil jemand an der Tür klingelt oder weil der Kuchen im Ofen verbrennt, ein Kind stürmt weinend herein und meldet einen Streit, der geschlichtet werden soll usw. Diese abrupten Unterbrechungen sind nach meiner Beobachtung sehr typisch für dieses „Kartenspiel“ der Erinnerungen. Viele springen, wie aus dem Dornröschenschlaf erwacht, vom Tisch auf und gehen einer neuen Tätigkeit nach, der eine verschwindet im Bad, der andere vor den Fernseher. Viele kleine individuelle Realitäten, die eben noch zusammen eine merkwürdig traumhafte Wirklichkeit vereinte, wirbeln plötzlich wieder aus- und umeinander herum. Es gleicht dem Zerplatzen einer Seifenblase, deren Inhalt sich zu vielen neuen Realitäten formt.

Der Zeitpunkt nicht nur über sondern auch mit den Ahnen zu kommunizieren, ist in den Rauhnächten also besonders günstig. Verbindungen kommen in der Regel sehr leicht zustande. Es ist die in jedem Jahr wiederkehrende Gelegenheit, noch offene Angelegenheiten oder Fragen, die durch den Tod einer Person verwickelt oder problematisch erscheinen, zu klären. An anderen Tagen im Jahr sind diese Kontakte natürlich auch möglich, jedoch haben während der Rauhnächte besonders auch jene Persönlichkeiten die Möglichkeit zu einer Kontaktaufnahme, die sich für nicht sehr sensitiv oder empfänglich halten. Und auch das Zeitfenster ist dafür überaus günstig, denn die Tage und Nächte selbst scheinen in der Tat eine eigene Dynamik und Kraft zu besitzen, der sich auch ganz „unesoterische“ Menschen nicht entziehen können.

Die Kontaktaufnahme mit den Ahnen ist auch kein verbotener oder gar schwarzmagischer Akt. Im Gegenteil: Sie ist in dieser Zeit sogar ausdrücklich gewünscht. Denn wenn sich die Verstorbenen in den Rauhnächten schon bei jeder Gelegenheit in unsere Erinnerung rufen und wir Erinnerungen austauschen, damit diese weiterleben, können wir es uns auch erlauben, die Ahnen in dieser Zeit der Einigung mit dem zu betrauen, was uns immer noch beschäftigt oder was wir zusammenhängend mit dem Tod noch nicht klären konnten.

Zur Kontaktaufnahme kann der Name eines verstorbenen Angehörigen in eine Kerze geritzt werden. Stellen Sie diese symbolisch auf ein Fensterbrett. (Das Fenster symbolisiert die Grenze zwischen dem Dies- und Jenseits, das Licht kann aber von beiden Seiten aus gesehen werden). Sprechen Sie den Namen der verstorbenen Person aus und tragen Sie Ihr Anliegen vor. In vorchristlicher Zeit wurden Gebete in Rauch hinein gesprochen (Räucherwerk). Der Rauch stieg mit den Gebeten und Fürbitten in die jenseitigen Welten. Wenn es Ihnen möglich ist, arbeiten Sie nachts bzw. wenn es draußen dunkel ist, denn da sind die Wirkkräfte am stärksten, weil es u. a. zu dieser Zeit die wenigsten Störeinflüsse gibt.

Wenn Sie einen „Beleg“ brauchen, bitten Sie um ein deutliches Zeichen für die nächsten Tage, dass Ihr Anliegen gehört wurde. Oft sind es übrigens „Zeichen“, die schnell übersehen werden, wenn wir durch das Leben rennen und nicht innehalten. Sie sind zwar nicht alltäglich, haben aber durch ihre Subtilität die Neigung zur „Unsichtbarkeit“, z. B. eine weiße Feder auf dem Fensterbrett, ein schwarzer Rabe auf dem Autodach, ein verlorener Schlüssel vor unserer Haustür, der überraschende Anruf einer Person, von der man 20 Jahre nichts mehr gehört hat usw. Was es ist, wird sich immer ganz individuell erschließen. Manchmal ist es sogar schon vorbeigehuscht, bevor es uns wie Schuppen von den Augen fällt…

Leider (oder den Göttern zum Dank) kommt man auch hier nicht umhin, seine Wahrnehmung längerfristig für subtile Effekte oder „Kuriositäten“ zu schärfen.

Gesegnete Tage und Nächte!

Anthera


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