Montag, 31. Oktober 2011

~ Samhain 2011 ~

Autor: Anthera


Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume,
ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume.
-Michelangelo-




An Samhain – dem Ende des Sommers – erinnern wir uns traditionell in der Nacht auf den 01. November. Es heißt von jeher, dass die Grenzen zwischen Dies- und Jenseits in dieser Nacht besonders dünn gewebt sind und man leicht auf die jeweils andere Seite gelangen kann.

Das Sinnbild der sich öffnenden Gräber zu Halloween bedeutet, dass die Tore in die jenseitige Welt in jener Nacht weit offen standen. Aber auch die Jenseitigen können durch das Zeitfenster in das Diesseits gelangen und sich unter das menschliche Volk mischen.

Allerdings bezieht sich der Ursprung Samhains weniger auf losgelassene wilde Geister, sondern eher an das Andenken an die Ahnen. Totenfeiern wurden abgehalten, gemeinschaftliches Essen und Gelage an den Friedhöfen oder Grenzsteinen. Verstorbene wurden geehrt, in dem man ihre Bilder oder Gegenstände, die sie besaßen mit Blumen und Lichtern schmückte.

Den Ängstlichen wurde geraten, in dieser Nacht besser im Haus zu bleiben, weil sonst zu befürchten sei, dass diese sich in den Nebelwäldern des Jenseits verirrten und von Geistern, Feen oder Verstorbenen auf die andere Seite der bekannten Welt gezogen würden. Oder dass man sich auf unbekannten Pfaden verirrte, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten, weil in der Nacht auf den 01. November plötzlich Weggabelungen erscheinen, die sonst im Jahr nicht zu sehen waren. Und man fürchtete, dass man sich auf unbekannten Wegen, auf fremden Äckern wiederfand, was ein Problem darstellte, wenn sich die Tore nach dieser Nacht wieder verschlossen und man auf der anderen – der fremden Seite gefangen war, womöglich sogar zu einem Geist werden musste, weil der Eingang zur Menschenwelt verschwunden war.

In der irischen Tradition ist Samhain auch die Nacht der Seelenfahrt zur Insel der Feen. Und Feen verlassen in jener Nacht ihre Hügelgräber, um sich an die gedeckten Tische der Menschen zu setzen und den schaurigen Geschichten von Menschen zu lauschen, die auf Geisterjagd gingen und die Irrlichter in Gläser sperrten, um sie sich in der dunklen Jahreszeit zu schenken.

In dieser Zeit schieben sich die Realitäten von Oberwelt (Himmel), Mittelwelt (Erde) und die Unterwelt also übereinander, Mythen und Legenden vermischen sich, sodass es einfach ist, sich in dieser Zeit mit der vorherrschenden Qualität zu verbinden, zu meditieren, den Verstorbenen zu gedenken oder Geister, Feen, Engel, Götter und Schutzheilige in sein Haus einzuladen bzw. sich an Orte zu begeben, an denen man der Natur und ihren Geistern am nächsten ist. Ein nächtliches Picknick an einem Grenzstein wäre ein solcher Ort. Oder die Mauer eines Friedhofs, ein alter abgelegener Teil eines Gartens, in dem verwilderte Gräber stehen, aber auch eine Hecke oder ein Zaun kann so ein symbolischer Ort sein, an den man ein Windlicht aufstellt oder eine kleine Schale mit Keksen und Nüssen abstellt.

Die Menschen gehören in dieser Nacht 12 Stunden zur „Nichtzeit“, was bedeutet, dass wir uns in dieser Zeit gezielt auf all die Dinge unseres Lebens konzentrieren können, die wenigstens hin und wieder eine Sicht außerhalb von Zeit und Raum erfordern. Wir nehmen sie sozusagen aus der Zeit heraus und können so in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reisen. Deshalb wird Samhain auch als Zeit außerhalb der Zeit verstanden, in der man sich auf ein neues Jahr einstimmt, orakelt, Karten legt oder die Runen wirft, um dem Schicksal ein paar Einblicke zu entlocken.

Samhain bedeutet daher für mich auch ein kleiner Moment innerhalb der Ewigkeit, in welchem das Haus geputzt wird, ein kleiner Tisch gedeckt wird und die Fotos der Ahnen mit Blumen und Kerzen geschmückt werden. Gegenstände (Schmuckstücke, Uhren, Briefe), die wir von unseren Ahnen geschenkt oder vererbt bekommen haben, können gern dazu gelegt werden. Der restliche Tisch kann z. B. mit Herbstfrüchten und anderen Accessoires, z. B. einem Kürbis, Kastanien, Eicheln, farbige Blätter, Federn, Steine, Muscheln oder Wurzeln geschmückt werden.

Gedenk-Bildchen, Geschichten und Erinnerungen

Eine kleine Samhain-Anregung, die ich an dieser Stelle gern teilen möchte, weil ich sie so schön finde, um sich mit dem Gedenken an die Ahnen zu befassen, ist die Herstellung von kleinen „Gedenkbildchen“.

Auf ihnen werden Name, ggf. ein Foto Geburts- und Sterbedatum sowie kleine Erinnerungen notiert, die man mit dem Verstorbenen geteilt hat. Ein Gedicht, das erinnert oder kleine Geschichten, Redewendungen, die immer wieder benutzt wurden oder eine gemeinsame Erinnerung (weißt Du noch, als wir uns auf dem Berg verirrten und in einer Schutzhütte zwischen Schafen übernachteten?). Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt und der künstlerisch Begabte findet hier hunderte Gestaltungsmöglichkeiten.

Die Idee ist insofern sehr hübsch, weil man die Gedenkbildchen auch über das Jahr in einer schönen Schmuckdose verstauen und zu bestimmten Tagen im Jahr (Samhain/Allerseelen, Weihnachten oder Totensonntage) eben zum besonderen Gedenken herausnehmen kann.

Wir machen Erinnerungen damit greifbar. Und konservieren sie. Außerdem ist es ein schöner Brauch, solch eine „Familien-Erinnerungsschachtel“ einmal an die Kinder und Enkelkinder weiter zu geben, die ja leider oft nur noch wenig Bezug zur Generation der Urgroßmütter- und –väter haben. Darin können dann auch persönliche Briefe, kleinere Gegenstände, Fotos, Schmuckstücke, Großvaters Bleistiftzeichnung von 1928 oder Großmutters legendäres, handschriftliches Kuchenrezept aufbewahrt werden.

Ich wünsche allseits ein fröhliches Gedenken und Bewahren.

Merry Meet!
 


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