Donnerstag, 30. Juli 2009

~ Von Geistern & Menschen ~

Autor: Anthera




- Wir werden uns verbünden müssen, um zu trotzen den Widerern.
Zum Fall der Masken gezwungen windet sich, was einst überragte den Menschen und ihre Geister. Erheben werdet Ihr Euch- oder in Eurer Mörder Öfen jammern.
- „Ein König, der mit Geistern sprach.“-
(per Diktat im August 2008)


Vor mehreren Jahren versprach ich einem uralten Seher in Vorarlberg (Österreich), an einem Tag in der Zukunft über „das kleine Volk“ zu schreiben. Dabei hatte ich damals überhaupt keine Vorstellung davon, in welchem Rahmen in dies tun würde. Und ich verließ den Alten einerseits nachdenklich, andererseits ein wenig ratlos, wusste ich doch nicht, ob ich das Versprechen überhaupt halten konnte. Aber ich schwor mir, es in Anbetracht dessen, was dieser Tag an dies- und jenseitigen Tönen offenbarte, in jedem Fall zu halten.

Ich saß also an jenem heißen Juli-Tag mit dem medialen Visionär auf der Bank vor seinem Haus, bei Erdbeeren und Erdbeerlikör. Ich suchte ihn ursprünglich auf, um mit ihm über Erzengel Gabriel zu sprechen. Einige seiner Kunstwerke, die ich einige Tage zuvor in einer Ausstellung sah, zeigten den Engel als einen offenbar wichtigen Teil in seinem Leben. Gabriel behandelten wir allerdings nur kurz, ich wüsste wahrscheinlich eh mehr über ihn als er, sagte der alte Mann und es wäre interessant zu sehen, dass ich ihm ähnlich sei, während er mich seltsam abwesend musterte, und mir war sofort, als hätte „unser“ Gabriel – der Engel der Offenbarung – an diesem Tag andere Pläne.

Denn das „kleine Volk“, wie der weise Alte die Naturgeister nannte, war an diesem Nachmittag seltsam präsent. Und in seinem Garten waren sie auch tatsächlich unübersehbar: Bäume mit Gesichtern, die der Künstler während seines Lebens als deren Seelen herausstellte, wohin das Auge blickte. Kleine bewohnte Astlöcher und herumstehende echte und nachgebildete Pilze, wie aus einem Kinderbuch aus längst vergangener Zeit, tauchten überall aus den üppigen Büschen, Bäumen und Pflanzentöpfen auf. Ich hatte den Eindruck einer in einem Märchenwald Verirrten, der an jeder Ecke das Rotkäppchen begegnen musste.

Die „Kleinen“ so heißt es in der Volkskunde aller Kulturen, hatten schon immer mehr Einfluss auf die Geschicke der Erde, als der Mensch glaubt. Er wähnt sich ihnen nur überlegen und schaut deshalb lieber hinauf zu den Fürstenvölkern des Himmels. Die kleinen Diener der Erde, die so klein nicht sind, wenn wir uns bewusst drüber werden, was sie über die Jahrhunderte für Natur und Mensch tun, nimmt er wegen der großen Genien, nach denen er strebt, meist gar nicht wahr.

Der Mensch hat sich mit dem Fortschritt der Moderne zunehmend von den Geistern der Natur abgewendet, woraufhin sich das „kleine Volk“ zum Teil beleidigt zurückzogen hat und manches mal noch den einen oder anderen Menschen in Bedrängnis brachte, der sich tölpelhaft und ungestüm ihrer Reiche näherte. In früheren Zeiten wagte man es nicht, die Berge zu erklimmen ohne ein Gastgeschenk oder eine Opfergabe an die Geister des Ortes mitzubringen. Heute beklagt man den verirrten Wanderer, der unachtsam in eine Felsspalte rutschte und das Tal nur noch als Toter oder ewig Vermisster erreichte. Wer weiß, welche Erfahrungen sich dem Gipfelstürmer erschließen würden, wäre er etwas sensibler und würde von vornherein ein kleines Gastgeschenk in seinem Rucksack verstauen.

Unsere Urväter und -mütter wussten, wie man mit den Wesen der Natur umzugehen hatte. Sie waren integraler Bestandteil ihres Alltags. Das schamanisch-indoeuropäische Erbe ist in unseren Genen seit Jahrtausenden verankert. Hier überdauerte es interessanterweise alle lichten, aber auch alle dunklen Zeitalter.

Als Sehnsucht spürbar, als Flamme der Leidenschaft im Herzen behütet, steigen sie nun schon seit einigen Jahren aus den Tiefen unserer eigenen Geschichte herauf – und lassen uns in ihrer Gegenwart erschüttert feststellen, dass wir Demut, Ehrfurcht und brennende Herzen zwar über Jahrtausende aus unserer sichtbaren Welt verbannt haben, dass diese archaischen Tugenden aber die wahre Macht der Unsterblichkeit unserer Seelen besitzen. Und die Schlüssel zu unserem wahren Selbst sind.

Viele Namen kannten die Ahnen für die Mittler zwischen den Welten, die da so und ähnlich lauteten: Schattentänzer, Seelenschmiede, Geisterseher. Sie und andere wesentliche Charaktere der menschlichen Ur-Sippe lösen sich mehr und mehr aus den Verstrickungen der heutigen Zeit heraus und finden selbstständig in diesen und in den nächsten Jahren zu ihrer Bestimmung. Sie klingen bereits wie Windspiele durch den Äther, noch an vielen Orten übertönt vom Lärm der modernen Welt.

Mit der Fähigkeit, unterschiedliche Wesensformen wahrzunehmen, hauchen die schamanischen Erben den Wesen des „kleinen Volkes“ ihren Atem ein, um diese über ein vielfaches über sich hinauswachsen zu lassen. Der Segen des Menschen ist schon immer an den Segen der Natur gebunden. Die ausdrückliche Ermächtigung durch den Menschen lässt das „kleine Volk“ ihre „Klang“-Farbe und Form verändern, sie erfahren Beförderung und Einwilligung, die Einladung, im Sinne der Natur und für Schöpfung und Erhalt zu handeln.

Zum kleinen Volk gehören natürlich die Wesen der Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft. Das fünfte Element, der universelle Geist, das Alles-Verbindende, betrifft alle Dolmetscher der Dimensionen, die Diplomaten, die Reisenden, die Sehenden, Hörenden und Fühlenden. Der Geist ist es, der Ideen und ihre Werdung in den jeweiligen Welten schafft und zu ihrer Vollendung führt.

Und hier schließt sich der Kreis zum schamanischen Weltbild unserer Ahnen, die bei ihrer Suche nach einer neuen Heimat ihre Götter und Kulte mit in die unwirtlichen Gegenden unserer zum Teil großen, dunklen Wald- und Sumpfgebiete mitbrachten. Bemerkenswert sind trotz der vielen Clans und Sippen, die sich einst auf den Weg machten, ihre religiösen und kulturellen Gemeinsamkeiten. Unsere Ahnen lebten in Familienverbänden und hatten fast einen einheitlichen Götterglauben mit nahezu gleichen Ritualen, Kultplätzen und Grabanlagen. Der mythologische Kosmos unserer Ahnen scheint daher einer einheitlichen, gemeinsamen Quelle zu entspringen. Vielleicht einer spirituell-religiösen Ur-Form, die schon zur Zeit der menschlichen Einheitssprache existierte und die mit dem Aufbruch der Völker in alle Winde zerstreut, aber dennoch erhalten wurde. Etwas, das Sprache und sonstige Merkmale der Völkerwanderungen übrigens in dem Maße nicht vermochten.

Indem wir uns wieder dem geistigen Kosmos unserer Ahnen zuwenden, treten wir in Kontakt mit den uns umgebenden Welten. Wir ehren ihre und unsere eigene Geschichte, unsere Wurzeln und die Menschen, die über Jahrtausende unseren Weg durch Liebe und Leid, Fülle und Kargheit bereitet haben.
Die nächsten Monate verbrachte ich damit, mein Augemerk auf eine übergreifende Verbindung zwischen den verschiedenen Dimensionen zu richten. Für jedes Anliegen in der irdischen Welt, gibt es eine Entsprechung und eine Zuständigkeit in der geistigen Welt. Die Vereinigung und die Wechselwirkung zwischen der sichtbaren und den unsichtbaren Welten stellt ein großes Potential dar, das aus unserem Gesichtsfeld verschwand. Wir wissen zwar, dass auch unsichtbare Einflüsse unsere sichtbare Welt ständig durchwirken, getrauen uns aber häufig nicht, diese ganz bewusst und nachhaltig in unser Schicksal mit einzubeziehen. Über das animistische Weltbild unserer Vorfahren zu einem praktikablen Modell der heutigen Zeit:
Die Ahnen sind wieder einmal in der Gegenwart angekommen.


Anthera, im Juli 2009


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