Sonntag, 29. August 2010

~ Djed-Pfeiler und Poteau-Mitan ~

 
als Tore in die Anderswelten

 
Autor: Anthera
 


Auf der aktuellen Vodou-Ausstellung in Berlin (noch bis zum 24. Oktober 2010 im Ethnologischen Museum in Dahlem, danach noch in Stockholm und Bremen) ist mir u. a. ein möglicherweise i. d. R. unterschätztes Randdetail aufgefallen: Der „Poteau Mitan“, ein Pfosten in der Mitte eines Raumes/Tempels, über welchen die Geister in die Welt der Menschen eintreten. Dieser „Geisterpfosten“ markiert ein Tor (eine Eintrittspforte) zwischen dem Diesseits und der Welt der Geister. Man geht schnell daran vorbei und nimmt nur wenig Notiz, aber bei genauerer Betrachtung verschiedener Darstellungen stellte sich mir die Frage, ob es sich hier um ein zu Unrecht als bedeutungsloses Randdetail einer modernen Interpretation verschließt und ob es nicht vielleicht unter dem Gesichtspunkt des bis in die heutige Zeit in traditionellen Riten verwendetem „Tor zwischen den Welten“ eine genauere Betrachtung verdient.

In Voodoo-Ritualen sieht man diese „heiligen Pfosten“ (französisch poteau mitan = Pfosten der Mitte oder des Zentrums) bzw. Pfähle bei nahezu jeder Anrufung. Die Priester (häufig mit bunten Tüchern, deren unterschiedliche Farben verschiedene Geister oder Geistaspekte, die gerufen werden, verkörpern) tanzen um diese herum, sie singen und evozieren die Geister über den „Mittel-Pfosten“ in die Welt der Menschen. Im abendländischen Okkultismus kennt man das Hereinrufen der Geister in einen von einem Magier, Schamanen, Hexe bzw. einer Gruppe geschaffenen, magischem Kreis. Nicht selten wird sich dazu auch eine Säule vorgestellt, die Unterwelt, Welt der Menschen und den Himmel miteinander verbindet.

Die Religion des Voodoo und ihr ähnliche gehen also davon aus, dass die Geister aus der Unterwelt über den Pfosten zu den Menschen heraufsteigen und die Geister der Überwelt am Pfosten entlang zu den Menschen herabsteigen. Somit ist der Pfosten die Verbindung der geistigen Welten innerhalb der materiellen Welt. Er besteht oft aus Holz und endet in einem gemauerten Sockel. Auf ihm befindet sich eine beträchtliche Anzahl an geometrisch perfekt herausgestellten Formen.






An dieser Stelle möchte ich mich auf eine „Eigenart“ der ägyptischen Antike beziehen, über das immer schon viel gerätselt und sich gewundert wird: Der Djed-Pfeiler. Ein Pfosten oder Pfahl, der immer wieder z. B. im ägyptischen Totenbuch auftaucht und bisher in Sinn und Zweck nicht eindeutig„identifiziert“ werden konnte.


Ich betrachte ihn hier einmal unter dem Gesichtspunkt eines „Poteau Mitan“, denn es gibt Abbildungen, auf denen sich Osiris, der Gott der Unterwelt und „König der Toten“ zwischen bestimmten Ebenen des Djed-Pfeilers „herausschält“. Auf dem folgenden Bild sieht man zwei Göttinnen (vermutlich Isis und Nephtys), die Osiris aus dem Djed-Pfeiler „herauf beschwören“. Es wäre also gut denkbar, dass der Pfeiler sowohl in der materiellen Welt (das Aufrichten des Djed-Pfeilers siehe angefügte Darstellung) sowie in der immateriellen Welt, so z. B. im Pantheon der Götter oder auch dem Jenseits, der Unterwelt) eine wesentliche Funktion hat und einen Schnittpunkt innerhalb ineinander verlaufender Dimensionen markiert. Über diesen Schnittpunkt wird eine Interaktion zwischen verschiedenen Welten beabsichtigt. Indem den Geistern ein Tor geöffnet wird, schafft der Mensch den Rahmen, über welchen Geister in seine Welt eingeladen und mit ihm in einen Dialog treten können bzw. für eine ausdrücklich gewünschte Interaktion oder Symbiose (Aufgabe innerhalb der Menschenwelt) herangezogen werden.




Wäre es also möglich, dass der Djed-Pfeiler also einen altägyptischer „Poteau-Mitan“ darstellt?

Aus okkulter Sicht ergeben sich bei dieser Annahme jedenfalls einige recht interessante Aspekte:

Der Pfosten, der die Welten miteinander verbindet, kann also so auch in andere Richtungen ausgerichtet werden, d. h. nicht nur die Geister, Götter, Engel oder Ahnen steigen auf die Welt des Menschen herauf oder herunter sondern dem Menschen kann durch das Aufstellen bzw. „Ausrichten“ (Ausloten) eines Djed-Pfeilers (oder Poteau-Mitans) auch in diese anderen Welten reisen oder zumindest in sie hinein schauen.

In der Regel geschieht dies heute zwar nur noch in der mentalen Magie, d. h. wenn eine Säule imaginiert wird, die Himmel und Erde (erweitert auch die Unterwelt) miteinander verbindet (als ein Beispiel sei hier das das in der abendländischen „Okkult-Kultur“ bekannte I-A-O-Ritual erwähnt), aber daraus ergibt sich in der weiteren Überlegung z. B. auch der Anschluss an weitere Systeme, z. B. das 9-Welten-Modell der nordischen Mythologie, wo dem Menschen überall ganz bestimmte Eigenschaften und personifizierte Kraftzentren begegnen, mit denen er sich verbinden kann, um auf einer anderen Ebene mit den formgebenden Kräften eine neue Realität zu erschaffen, mit dem Ziel, diese neue Realität auf die Welt des Menschen zu übertragen.

Zum Götterpantheon der afrikanischen Ifa-Religion zählen neben katholischen Heiligen auch traditionelle afrikanische Götter, dessen Entsprechungen sich auch in der ägyptischen sowie babylonischen Kultur finden. Es ist unbestritten, dass zu allen Zeiten Götter, Geister und Menschen miteinander in Kontakt traten. Dieser Kontakt ist aber zumindest in unseren Breitengraden immer stärker in Vergessenheit geraten, Ängste wurden geschürt und Horror-Geschichten verbreitet. Ich selbst treffe immer wieder auf Menschen, die offenbar wirklich überzeugt davon sind, man müsse sterben, wenn man z. B. versucht, sich über einen Spiegel (ebenfalls ein Tor) mit einer anderen Sphäre oder Dimension zu verbinden.


 

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