Dienstag, 27. Oktober 2009

~ Sie kehren immer alle wieder ~

Autor: Wanja Benuaté


Sie kehren immer alle wieder.
Sie reiten auf Winden und mit den Gezeiten.
Sie folgen dem Strahl des Mondes und treten bei Sonnenaufgang in die Welt der Lebenden. Nicht zu deren Schaden, sondern zu ihrem Nutzen.
Ewig.
Denn hinter dem Spiegel liegt eine Welt, die sich dem Menschen nur dann offenbart,
wenn seine Sinne zur Ruhe kommen und sein Geist die Heimat bereist.
Denn dort erkennt er sie. Weil er sich erkennt.
Dort tankt er Nacht um Nacht Kraft für seinen Alltag.
Dort, wo er täglich gefordert wird,
mit all seinen Pflichten, Nöten, seinen Begehrlichkeiten
und seinem sowie anderer Menschen Willen,
benötigt auch sein Geist einen eigenen Raum.
Um zu lauschen, zu empfangen, zu erhellen,
den tiefsten und den dunkelsten Ort der menschlichen Seele.
Aber auch den hellsten, höchsten und reinsten.

Sie kehren immer alle wieder.
Nachdem sie voraus gegangen sind.
Sie singen uns in den Schlaf,
sie bereiten uns eine Heimstatt,
sie empfangen uns mit Pauken, Posaunen und Trompeten am Tag unserer Ankunft,
auf dem Bahnsteig stehend,
im Sonntagsgewand, feierlich, scherzend,
lachend, verwundert,
Sonnenstrahlen auf dem Gesicht von Sonnen, die das Irdische nie gesehen,
das Zeitliche nicht gekannt und das Ewige als wahrhaft wissen.
Dort stehen sie,
zu Hunderten,
neugierig ihre Hälse reckend,
ihre Lieben suchend, die sie so lange nicht berührt oder gesehen haben.

Und während die Heimkehrer ihre Verwandten und Freunde begrüßen,
Geschichten aus der irdischen Welt mit sich tragend,
stellen sie ergriffen fest, dass seit jenem Tag auf Erden,
der ihnen dort noch gestern so schmerzlich lang vergangen schien,
und an dem sie Irdisches untrennbar miteinander verband,
nicht ein einziger Wimpernschlag und keine Sekunde an Zeit vergangen war…


Copyright © Anthera-Verlag / Wanja Benuaté