Sonntag, 29. November 2009

~ Das bildhafte Universum ~

 

Autor: Aristophanes

Das Geheimnis der Geistigen Welt liegt im Wesen ihrer Doppeldeutigkeit.
Die bildhafte Welt ist u. a. die Welt der Emanationen, der universellen Mächte und Gewalten. In der bildhaften Welt scheint es, als könne das Geistige materiell in Erscheinung treten und das Materielle wird unsichtbar – transzendent. Auf dieser Plattform findet sich die Verdichtung/Stoffwerdung der menschlichen Imaginationen.

Um diese Zwischenwelt wahrnehmen zu können, verfügt der Mensch über ein mehr oder weniger brauchbares „außersinnliches Organ“. Hier finden wir also die woanders gern geschmähte Einbildungskraft als real werdende Schöpferkraft wieder. Diese Kraft ist eindeutig darauf ausgerichtet, Realität in die gegenständliche Welt zu „installieren“.

Die Vision dient hier als Motivator. Diese magische Vorstellungskraft, oder: die Fähigkeit zur Imagination, zum Transport von Bildern aus dem Makrokosmos in den Mikrokosmos, ist das Kernstück aller magisch-schamanischen Disziplinen. Sie verhilft dem Anwender zur inneren und äußeren Produktivität, zur Kontemplation und macht ihn schlussendlich vom Schauenden zum Gestalter. Die Qualität dieser Fertigkeit ist kreativ, in vollem Umfang schöpferisch, formgebend, eloquent, dynamisch, lebenspendend, intuitiv, ideenreich, methodisch und konsequent.

Wenn eine Begegnung auf den geistigen Stufen zur persönlichen Erfahrung wird, sich also transfigurierend äußert, dann tritt das Bildhafte aus dem Schatten seiner, von unserer Position gesehen, unsichtbaren Welt heraus und taucht in die sichtbare, materielle Ebene ein.

Die Existenz dort regulierender, himmlischer Mächte ist kein Zufall, sondern augenscheinliche Notwendigkeit. Das Viadukt zwischen sichtbarer und unsichtbarer Welt. Selbst jemand, der mit den geistigen Gefilden und deren Völker nicht vertraut ist, kommt nicht umhin, sich einzugestehen, dass es gemessen am Logos des Intellekts absurd wäre, zu behaupten, es gäbe sie nicht, jene Impulse, die aus einem höheren Grund in den kleineren, uns umgebenden als ein Akt der Gnade hineinfließen. Bilder, die seit Jahrtausenden existieren und die jeder – vom Kleinkind bis zum Großvater – kennt. Schließt er die Augen wird auch der Ungläubigste sie sehen: Geflügelte Wesen, durch die Lüfte schwebend, manche Menschen mehr, andere weniger oder auch gar nicht lenkend. Und dieses Bild wird er im Leben nicht los, egal, was er dazu unternimmt.

Im bildhaften Universum finden wir die Baupläne, nach denen die materielle Welt als Geschöpf eines geistigen Schöpfungsprinzips hervorgeht. Der Geburtskanal vom Seienden zum Werdenden ist jener Weg, den das geistige Objekt nimmt, um alle Attribute einzusammeln, die ihm zur Vergrobstofflichung in die materielle Welt dienlich sind. Das Bildhafte materialisiert sich somit innerhalb des Schöpfungsprozesses auf die Frequenz des Greifbaren herunter. Fehlt ihm auch nur ein einziges Attribut, kann es nicht in der sichtbaren Welt ankommen und verharrt so lang in der bildhaften Welt, bis es vervollständigt ist. Je geübter oder je fachkundiger ein Bild imaginiert wird, desto stärker wirken die gestaltgebenden Kräfte. Das Bild legt sein abstraktes Gewand ab und erhält nach und nach immer klar umrissenere Formen durch Ansammlungen jener Verbindungen, die ihm ein Absteigen in die sinnliche Welt gestatten. Auf dieser Dimension, die wir als „reale Welt“ betiteln, erhält alles, was im Makrokosmos als Bild erscheint und dessen Vitalkraft stark genug ist, die dafür benötigten Eigenschaften anzusammeln, seine materielle Gestalt.

Der um diese Doppelbedeutung Wissende behält das geistige Objekt im bildhaften Raum während dessen Transformation im Auge und kann ihm fehlende Charakteristika ergänzen. Er beschleunigt den Werdungsprozess oder verlangsamt ihn. Dadurch wird es ihm z. B. möglich, entfesselte, sich jedoch materialisierende Tendenzen auf der bildhaften Seite zu erkennen und deren Eintritt in die grobstoffliche Welt zu verhindern, hinauszuzögern oder abzuschwächen.

Es kann daher von größter Bedeutung sein, sich intensiv mit dem bildhaften Universum und den darin wirkenden Mächten zu befassen.

Wien im November 2009

Copyright © Anthera-Verlag / Aristophanes