Sonntag, 15. November 2009

~ Das Golem-Prinzip - Teil 2 ~

~ Die metaphysische Wirk-Ebene des Golem-Prinzips ~



Autor: Anthera

Das magische Weltbild nimmt an, dass geistige und materielle Welt in ständiger Wechselwirkung zueinander stehen. Tatsächlich existierte zunächst alles, was Menschen jemals auf diesem Planeten geschaffen und hervorgebracht haben, als Gedanke. Der Gedanke auf der nicht sichtbaren Welt liefert also die Impulse für das Wirken in der sichtbaren Welt.

Die feinstoffliche Welt teilt sich in mehrere verschiedene Ebenen:

- Astralebene (Sitz der Gedanken- und Gestaltungskräfte unseres
physischen Lebens)
- Emotionalebene (Sitz des Charakters, der Gefühle und Emotionen)
- Mentalebene (Wirkstätte der Inspiration, Kreativität, Impulse, Ideen,
- Kausalebene (Spiritualität, Kommunikation mit dem höheren Selbst, mit Engeln,
Schutzgeistern, Göttern, Wirkebene der Okkultisten, Magier, Schamanen und
anderen “Energiearbeitern”).

Die Ebene, auf der der magische Golem wirkt, lässt sich am besten als Kausal- oder Ursachenebene beschreiben und bedeutet, dass man hierfür die jenseitigen Bereiche (oder Ebenen) des Diesseits und die diesseitigen Bereiche des Jenseits betritt. Man sucht also auch hier nach dem kleinen gemeinsamen Nenner der beteiligten Welten oder das Ying und Yang, das die sichtbare Welt mit der unsichtbaren und die unsichtbare Welt mit der sichtbaren verbindet.

Auf dieser Ebene wirken z. B. Fürbitten, Gebete, die Kommunikation mit Engeln, Geistwesen, Göttern und Verstorbenen, aber auch ganz konkret die Manifestationen geschulter Okkultisten (das Wort Okkultist ist übrigens ein wertfreies, es ist vielmehr nur in unserem Sprachgebrauch negativ belegt, weil er eben, wie der weise Merire mehr wusste als andere und den anderen das Wissen dadurch „verborgen (=occult)“ schien. Es kann hilfreich sein, den Schleier zu lüften und selbst zum Eingeweihten der okkulten Mysterien zu werden).

Um einen Gedanken aus der unsichtbaren in die Realität der sichtbaren Welt „herüber zu ziehen“, kann sich der Mensch auf geistiger Ebene einen Stellvertreter oder Angestellten erschaffen, den er bei Bedarf mit einem bestimmten Programm (Auftrag) aktiviert, d.h. der Magier erspart sich z. B. durch den auf der Mental-Ebene bereits vorhandenen Psychogon (auch: Egregor) lange und oft aufwendige Rituale, er kann den Egregor nämlich an jedem Ort und zu jeder Zeit aktivieren. Oder er setzt dann einen Golem ein, wenn er selbst gerade an einem anderen Projekt arbeitet und keine Zeit aufbringen kann.

Die Golems oder Egregoren (auch Psychogone genannt) sind also Gedankenformen, die aus ihrem Schöpfer „herausfließen“ und durch das Einhauchen seiner Vitalkraft (z. B. durch den Atem) eine eigenständige Wesensform bilden. Die Wirkebene der Gedanken okkult-unbedarfter Menschen ist normalerweise die Astralebene. Okkultisten bzw. Magier, Schamanen u. a. haben ihren Geist dahingehend geschult, dass sie gezielt Egregorene auf der Kausalebene (Die Ursachenebene des bewussten Erschaffens) entstehen und dort als Einflussebene für die materielle Welt wirken lassen können.

Der in die körperliche Welt entsendete Golem

Die herausragende Besonderheit der Golem-Legenden besteht in der Erweckung des Lebens, ich nenne es im magischen Kontext auch „Ermächtigung“. Die Schöpfer haben in allen Kulturen nicht nur Abbilder ihrer Gedanken geschaffen und ihnen Leben eingehaucht, die Geschöpfe waren offenbar allesamt mit den Merkmalen „organischen Lebens“ ausgestattet.

Wenn man den Berichten jedoch aufmerksam folgt, dann waren der Prager Golem und auch der ägyptische aus dem Papyrus Vandier für den nicht-okkulten Menschen unsichtbar, allenfalls als „Phantom“ oder Schatten wahrnehmbar. Rabbi Löw verwendete ein Amulett bzw. ein Sigil, welches seinen Golem für die Menschen unsichtbar machte. In der ägyptischen Version spricht der Golem sogar zu den Widersachern Merires, woraufhin diese wahnsinnig vor Angst wurden, denn sie konnten ihn zwar hören, aber nicht sehen…

Was diese Wesenheiten für uns so unberechenbar (weil unbegreiflich) macht, ist die Existenz auf einer Ebene, zu der der Mensch nicht ohne weiteres Zugang zu haben scheint. Die Mystiker und Okkultisten lehren uns hingegen, dass es möglich ist, diese Ebenen bewusst zu betreten und durch diese unsere Wirklichkeit zu formen.

Der Golem steigt aus der geistigen Welt mittels der Vorstellungskraft und der Ermächtigung seines Schöpfers in die materielle Welt und führt dort seinen Auftrag aus. Denn wie auch ihm, so ist jedem Gegenstand und jedem Lebewesen, das wir wahrnehmen können, bereits ein Gedankenimpuls in der geistigen Welt vorausgegangen.

Wenn wir den Golem fürchten, dann fürchten wir vielleicht „nur“ die Macht oder Ohnmacht unserer eigenen Gedanken. Vielleicht gefallen wir uns ja doch ganz gut in der Rolle derjenigen, deren Gedanken zwar frei erscheinen, aber im Bezug auf unser ganz reales Leben im Großen und Ganzen – Gottlob – so gnädig unwirksam sind. Wir können ganze Höllenszenarien in unseren Köpfen durchspielen – und nichts wird sich je realisieren. So scheint es. Und wenn sich etwas realisiert, dann nennen wir es Zufall und bringen es nicht mit dem in Verbindung, was wir (oder andere) für uns erschaffen haben.

Vielleicht ist es aber auch die Angst vor dem Verlust dieser gedanklichen Freiheit, die uns schlagartig nicht mehr gegeben wäre, wenn sich all unsere Gedanken augenblicklich mit aller klar umrissenen Schärfe, Nacktheit und in vollster Konsequenz für uns materiell greifbar realisieren würden. So liegen die Geheimnisse der Erzeugung von Realität weitestgehend im Verborgenen (okkulten), die Heimat des Unter- und Überbewusstseins . Und dort schlummern sie, bis sich jemand daran erinnert, sie zu erwecken.

Achtsamkeit ist das Stichwort nicht nur für unsere Generation. Der unbedingte Wille und die Fähigkeit zur Verantwortungsbereitschaft. Dann ist der Golem nicht länger Spuk einer okkulten Epoche im Europa der Geisterseher, Propheten, Auguren und Alchemisten, sondern beinhaltet ein Potential, das einem jeden grundsätzlich zur Verfügung steht, der Willens und fähig ist, sich in einem oft nicht einfachen Prozess seinem eigentlichen Wesenskern (das „Leben“ erschafft) zu nähern.

Anthera, im November 2009

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